Nazret ist bevölkerungsmäßig die drittgrößte Stadt Äthiopiens. Die im Zentrum des Landes ca. 100 km südöstlich der Hauptstadt Addis Abeba gelegene Stadt erhielt ihren Namen vom äthiopischen Kaiser Haile Selassie I. in Anlehnung an die biblische Stadt. Dieser während des ganzen 20. Jahrhunderts verwendete Name ist heute dem alten Oromo-Namen Adama gewichen (auch wenn man noch immer von Nazret spricht).
Nazret (auch Adama) ist die Hauptstadt der Region Oromia. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts fasste die äthiopische Regierung den vielumstrittenen Entschluss, die Regionalregierung von Addis Abeba aus politischen Gründen nach Adama zu verlegen. Den Gegnern zufolge führte diese Verlagerung zu einem Verlust der Bedeutung der Hauptstadt zugunsten von Adama und hatte gleichzeitig zum Ziel, die Entwicklung des Oromo-Nationalismus zu hemmen. Nach Ansicht der Regierung war Addis Abeba hinsichtlich der Entwicklung der Sprache, der Kultur und der Geschichte des Oromo-Volkes nicht sehr praktisch. Letztendlich wurde nach den in der Geschichte des Landes demokratischsten Wahlen 2005 von einem Tag auf den anderen beschlossen, die regionalen Institutionen zurück nach Addis Abeba zu bringen, wobei die Opposition eine kolossale Verschwendung öffentlicher Mittel anprangerte.
Diese Anekdote ist ein gutes Beispiel für einige der in Äthiopien herrschenden Probleme. Seit der Einführung des ethnischen Föderalismus hat sich die Bundesregierung bemüht, die städtischen Siedlungen Addis Abeba, Harar und Dire Dawa von den Entwicklungen des Oromo-Nationalismus zu isolieren. Diese Neuordnung der politischen Bühne gemäß den „Nationalitäten“ hat zu einer regelrechten Konkurrenz zwischen den drei Entitäten, also den Oromo, den Amharen und den Somali geführt. In Äthiopien bildet das Oromo-Volk die ethnische Mehrheit (32,1 % der Bevölkerung), gefolgt vom Volk der Amharen (30,2%).
25 km südlich von Nazret befindet sich die kleine Stadt Sodere mit ihren natürlichen Thermalbädern. Sodere erstreckt sich am Fluss Awash entlang, in dem sich Krokodile, ein paar Nilpferde und rund herum zahlreiche Affen tummeln.
Um zu den Thermalbädern zu gelangen müssen Sie hinter der Stadt ein kleines Stück bis zum Hot Springs Resort weiterfahren. Die äthiopische Regierung hatte 1963 beschlossen, rund um die für ihre wohltuenden therapeutischen Wirkungen bekannten Thermalbäder einen Hotelkomplex zu errichten und den Zugang kostenpflichtig zu machen. Inmitten der Bäume und der Vegetation finden Sie ein Freibad von olympischer Größe, das unter der Woche menschenleer ist, ein Hotel, ein Restaurant, einen zweiten Pool und ein Konferenzzentrum. Der Ort wird vor allem an den Wochenenden von der wohlhabenden Bevölkerung der Hauptstadt besucht.
Wenn Sie den Ort außerhalb der Feiertage besuchen finden Sie eine absolute Ruhe vor. Diese großflächige, baumbewachsene, ruhige, naturbelassene und trotz der Hitze der Umgebung frische Anlage ist ein wahrhafter kleiner Hafen des Friedens. Mit etwas Glück können Sie Krokodile, die am Ufer des Flusses am Rande des Ressorts faulenzen, und rund herum auch Affen beobachten.
Die Thermalbäder befinden sich ganz am Ende der Anlage. Sie liegen unter freiem Himmel, sind also nicht bedeckt, aber kleine Mauern sorgen für Intimität und trennen die Männer von den Frauen. Es stehen auch Kabinen und Schließfächer zur Verfügung. Ein paar Stufen führen hinunter zu einem Becken, aus dessen Wand dicke Rohre herausragen, aus denen kochend heißes Wasser spritzt. Wenn Sie tapfer sind, halten Sie es vielleicht ein paar Momente darunter aus; anderenfalls können Sie sich etwas weiter entfernt auf den Rand setzen, die Füße ins Wasser halten und sich mit den Stammbesuchern unterhalten.